Piatti als Handwerker-Künstler
Die freie Fläche auf seinem Arbeitstisch war manchmal nur gerade so gross, dass mit knapper Not ein A4-Blatt untergebracht werden konnte. «Für ein dtv-Cover reicht das allemal» oder «Ich bin halt ein Handwerker, ich arbeite nicht anders als ein Goldschmied oder ein Schuster, denen reicht auch ein kleines Plätzchen», meinte er dazu verschmitzt.
Rundum war alles vollgestellt mit Farbtöpfen, Deckfarben in Tuben, Terpentinflaschen, Tuscheflaschen, Schachteln mit Öl- und Wachskreiden, Japanmessern, Klebestoff, Krügen mit Pinseln in allen Grössen. Ein «Fön» (Haartrockner), um gleich die nächste Schicht Farbe auf die getrocknete auftragen zu können, und ein «Kopierer», ein Schwarz-Weiss-Kopiergerät, waren die einzigen technischen Hilfsmittel, die er benutzte.
Der handwerkliche Aspekt seiner Kunst war ihm sehr wichtig, er war stolz darauf und betonte ihn selber immer wieder, auch in Zusammenhang mit seiner Herkunft – sein Vater war ein Tessiner Maurer, der mit harter Arbeit ein eigenes Geschäft aufgebaut hatte, seine Mutter stammte aus einer Zürcher Bauernfamilie und wusste auch, was anpacken heisst.
Celestino hatte grösste Hochachtung vor anderen Könnern auf ihren jeweiligen Gebieten, allen voran den Druckern. Vor allem die alte Tradition des Steindrucks war Piattis Element – im Hause Wolfensberger in Zürich ging er ein und aus und pflegte einen intensiven Austausch mit dieser Lithographierwerkstatt. Linolschnitte waren eine weitere Spezialität von ihm. Hinzu kamen Skulpturen aus Holz, Eisen und Chromstahl und Uhren mit handbemalten Email-Zifferblättern, alles geschaffenen in Zusammenarbeit mit lokalen Handwerksbetrieben.
Die Eule als Wappentier und Markenzeichen
Das Lampen-Motiv – die Eule mit der Feder – datiert von 1968 und zierte das Titelblatt des dtv-Katalogs aus jenem Jahr. Eulen waren Celestino Piattis Lieblingstiere, mehr noch: Sie wurden zu seinem Markenzeichen, seit er den weisen Nachtvogel erstmals 1953 auf einem Plakat im Dienste des Buches eingesetzt hatte. Auf Selbstporträts taucht er als Mann mit Eule oder gar als gefiederter Eulenmann auf. Und wie viele Eulen er in seinem Leben geschaffen hat, weiss niemand so genau, auf Buchcovern, auf Plakaten, auf Druckgrafiken – es sind jedenfalls Hunderte, die die Mappen, Schubladen, Plakatrollen und Regale im Archiv bevölkern… «Man kann die Eule tausendmal zeichnen, aber an ihr Geheimnis kommt man nicht heran», fasst Piatti seine Faszination für den Raubvogel mit den grossen Augen in Worte.